Das Rätsel der Unsterblichkeit

Ich grab mich durch die Erde,
gehör hier gar nicht hin.
Ich wachse, schaffe Berge –
Ungetüme ohne Sinn.

Ich zerschneide Magen-Därme,
spieß mich förmlichst durch.
Ich lass mich kau‘n und schwärme –
durch jedes Meer hindurch.

Ich trage viele Namen,
die meisten unbekannt.
Ich bin im Netz, im Halm, in Garnen –
feinster Staub im Kindersand.

Durch jede Hand, in jedem Land,
bin ich an jedem Ort.
Ich werd gebraucht, bin anerkannt –
du kriegst mich nicht mehr fort.

Selbst wenn du gehst, bleib ich zurück,
und fliege mit dem Wind.
Und wenn du stirbst, es ist verrückt –
bin ich im neugebor‘nen Kind.

Pergament und Staub

Uhrenticken.
Klicken eines Metronoms.
Tage fallen wie Laub.

Brodeln in der Lunge,
schneller Herzensschlag,
Pergament und Staub.

Eine Schwester, die nach Kippen riecht –
Pflichtfernsehprogramm.
Sechs Enkel und drei Kinder,
alle wollen mal ran.

Einmal drücken, etwas sagen.
Eine Klärung, letzte Fragen.
Graue Augen voller Tränen,
bis sie alle alsbald gehen.

Uhrenticken.
Klicken eines Metronoms.
Tage fallen wie Laub.

Husten in der Lunge,
schwacher Herzensschlag,
Pergament und Staub.

Nur sie bleibt dort, ganz allein –
betrachtet ihre Hände.
Geht in Gedanken durch Jahrzehnte,
geht durch Wände bis ans Ende.

Klein und zart und fahl und fleckig.
Das letzte Lachen: Laut und dreckig.
Sie schließt die Augen, unausweichlich –
ohne Tränen, die gabs schon reichlich.

Uhrenticken.
Klicken eines Metronoms.
Tage fallen wie Laub.

Brodeln in der Lunge,
letzter Herzensschlag,
Pergament und Staub.